Das Arbeitsmarkt-Paradoxon: Fachkräftemangel trifft Rekordarbeitslosigkeit
Je paradoxer die Zeiten, desto origineller die Fakten. Der Arbeitsmarkt scheint sich selbst auf verschiedenen Ebenen ad absurdum zu führen. Wie kommen wir aus diesem Chaos wieder heraus?
Sind auch Sie hinlänglich verwirrt, was die Situation am Arbeitsmarkt angeht? Leben wir, die Post-Covid-Gesellschaft, nun tatsächlich seit Jahren in einem nicht enden wollenden Paradoxon? Was läuft falsch im System? Einerseits verzweifeln Unternehmer landauf, landab an extremem Fachkräftemangel, andererseits geht die Arbeitslosigkeit in Österreich durch die Decke. Einerseits suchen etwa Gastronomie und Pflege verzweifelt nach Personal, andererseits scheint trotzdem bei Gesetz- und Arbeitgebern keine Bereitschaft für angemessene Entlohnung aufzukommen. Einerseits soll Zuwanderung aus dem Ausland unsere seit Jahrzehnten zu niedrige Geburtenrate ausgleichen, andererseits sollen Grenzen geschlossen und Zuzug gestoppt werden. Schon klar, dass jedes Ding zwei Seiten hat, aber schön langsam fühlt sich das alles doch ein bisschen paradox an, finden Sie nicht?
Dieses Paradoxon wirft wichtige Fragen auf: Wie kann es sein, dass so viele Menschen arbeitslos sind, während gleichzeitig so viele Stellen unbesetzt bleiben? In diesem Artikel werden wir Ursachen, Auswirkungen und mögliche Lösungsansätze des Arbeitsmarkt-Paradoxons beleuchten.
Von Fachkräften mit Qualifikationslücken und unerfüllten Arbeitswünschen
Was im internationalen Business-Sprech als „Skills Mismatch“ zu trauriger Berühmtheit gelangte, wird bei uns verschämt „Qualifikationslücke“ genannt. Viele der Arbeitssuchenden verfügen nicht über die spezifischen Fähigkeiten, die am sich wandelnden Arbeitsmarkt gefragt sind. Insbesondere in den Bereichen Technologie, Ingenieur- und Gesundheitswesen gibt es einen hohen Bedarf an spezialisierten Fachkräften, während viele Arbeitslose aus Branchen kommen, die von Automatisierung und strukturellem Wandel übernommen wurden. Ihre Jobs fallen entweder dem Outsourcing zum Opfer oder werden nun von künstlicher Intelligenz ausgeübt. Viele dieser Wegrationalisierten brauchen nun wohl Zeit zum Nachdenken, wie es in ihrem Leben weitergehen soll. Die Arbeiterkammer nennt sie „Stille Reserve“, also Menschen, die eigentlich einen Arbeitswunsch hätten, sich diesen aber aus verschiedenen Gründe derzeit nicht erfüllen.
Digitales Europa: 176 Mio. Euro für Aufforderung zum Einreichen von Vorschlägen
Daher hat die Europäische Kommission das Arbeitsprogramm „Digitales Europa“ ins Leben gerufen, das nun, mit 29. Mai 2024, nach einem Jahr endet. Dabei handelt es sich um „eine neue Reihe von Aufforderungen zur Einreichung von Vorschlägen zur Stärkung der digitalen Kapazitäten“. Unsere Augen richten sich gespannt nach Brüssel, denn nun soll evaluiert werden, was an Ideen und konkreten Umsetzungsvorschlägen eingereicht worden ist. Auch das wird noch ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen, während die digitale Welt sich rasant weiterentwickelt. Fühlt sich auch für Sie ein wenig nach Bürokraten-Zeitlupe an? Tja, nicht nur in Österreich braucht gut Ding eben Weile.
Dramatischer Fachkräftemangel – welche Sparten leiden am meisten?
Der Ausdruck „Fachkräftemangel“ klingt deutlich spezifizierter, als er gemeint ist. Man hat sich darauf verständigt, dass jeder Profession ihre fachlichen Qualifikationen zugrunde liegen. Daher gilt: Fachkräfte sind ohenhin alle, die einem Beruf nachgehen. Allerdings gibt es Berufe, in denen drastischere Engpässe herrschen als in anderen. Das Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft, sowie das Unternehmensservice Portal des Bundeskanzleramtes haben mit Stand April 2024 insgesamt 110 so genannte Mangelberufe zusammengefasst. Die dramatischsten Engpässe finden sich unter anderem in Sparten, wie:
- Elektro-Installationsbetriebe
- Spenglereibetriebe
- Mobilität (v.a. Bus und Bahn)
- Gastronomie (v.a. Küche)
- Technische Datenverarbeitung
- Krankenpflege mit Diplom
- Pflegeberufe ohne Diplom
- Versicherungen
Damit unverschuldet Entlassene nicht von einem Tag auf den anderen in finanzielle Schwierigkeiten geraten, sorgen viele Unternehmen und Arbeitnehmer zusätzlich selbst vor. Die Möglichkeit, mit sehr geringen Monatsbeiträgen (25,-/50,- Euro) vorzusorgen und dadurch auch Steuern zu senken, macht die Österreichische Unterstützungskasse ÖUK für viele zur einzig leistbaren und trotzdem verlässlichen Partnerin in Notfällen.
Das Industriemagazin beleuchtet die Verschärfung des Fachkräftemangels in Österreich und prognostiziert bis 2040 eine Zunahme unbesetzter Stellen auf über 500.000 , falls keine effektiven Gegenmaßnahmen getroffen werden. Auch wenn Prognosen meistens nicht punktgenau eintreffen, sind die angeführten Zahlen tatsächlich haarsträubend. Aber das Problem ist nicht hausgemacht. In Deutschland und der Schweiz ist die Lage ähnlich und auch die Europäische Union sucht nach Lösungen für die Krise am Arbeitsmarkt.
Europas Aktionsplan zur Steigerung der Fähigkeitsintelligenz
Im März 2024 hat die Europäische Kommission einen Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels vorgelegt, der sich zum Ziel gesetzt hat, die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, sowie die soziale und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit zu stärken. Folgende strategische Maßnahmen sollen den Arbeitsmarkt wieder auf Vordermann bringen:
- Unterrepräsentierte Berufsgruppen aktivieren
- Qualifikation und Ausbildung fördern
- Arbeitsbedingungen verbessern
- Faire Mobilität (Gleichstellungsgesetzte für eingewanderte Arbeitnehmer) schaffen
- Talente aus Nicht-EU-Ländern anlocken
Initiativen zur Aktivierung von Jugendlichen (NEETs) und Langzeitarbeitslosen sollen breit ausgerollt werden. Mindestens 100 Zentren für berufliche Exzellenz sollen bis 2027 geschaffen, sowie neue Fähigkeitspartnerschaften eingerichtet werden. Außerdem will man die Fähigkeitsintelligenz verbessern und so aktuelle und zukünftige Bedürfnisse des Arbeitsmarktes erkennen.
Jugendarbeitslosigkeit versus Fachkräftemangel: Eine Analyse der Paradoxien
Im europaweiten Vergleich der „Nichterwerbstätige Jugendlichen, die weder an Bildung noch an Weiterbildung teilnehmen“, steht Österreich mit 7,1 Prozent gar nicht so schlecht da. Spitzenreiter Italien verfügt immerhin über 18,1 Prozent junger Unbeschäftigter, während in den Niederlanden nur 4,3 Prozent der Jugendlichen ihre Zeit ohne Ausbildung oder Arbeit verbringen. Als Hauptgrund für diese Fehlentwicklung nennen sowohl Jugendliche als auch Arbeitgeber ein drastisches Nicht-Übereinstimmen von dem, was die Jugendlichen können und dem, was der Arbeitsmarkt erfordert. Dies liegt teilweise an den unterschiedlichen Erwartungen und Anforderungen von Unternehmen und Bewerbern, sowie an einer nicht ausreichenden Berücksichtigung praktischer Fähigkeiten in schulbasierten Ausbildungsprogrammen. Seit Jahrzehnten verhallt der Ruf nach Bildungsreformen ungehört. Wie lange noch?
Altersstruktur und Arbeitsmarkt: Woher kommt der demografische Wandel?
Um den demografischen Wandel zu verstehen, werfen wir einen Blick in die Vergangenheit. Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Geburtenrate so deutlich zu, dass man von Baby-Boom sprach. Die Generation der „Boomer“ brach mit den traditionellen Konzepten ihrer Eltern und genoss als Hippies alle erdenklichen Freiheiten. Ende der 60er Jahre kam die Anti-Baby-Pille auf den Markt und beflügelte die Frauenrechte. Emanzipiert kämpften die Frauen um Gleichberechtigung und waren stolz darauf, selbst „ihren Mann zu stehen“. Sie studierten, machten Karriere und nahmen dem Patriarchat das Szepter aus der Hand. Die Hausfrau und Mutter kam aus der Mode, die Familien schrumpften. Mit der Weltfinanzkrise Ende der 2000er Jahre schlitterte die Wirtschaft weltweit in eine Rezession, was sich gravierend auf den Arbeitsmarkt und in weiterer Folge auf die Familienplanung auswirkte. Die in den darauf folgenden Jahren geborenen Kinder wurden zu Opfern der Corona-Maßnahmen, was einerseits drastische psychopathologische Auswirkungen zeigte, andererseits die Versäumnisse in Sachen Digitalisierung offenlegte.
Locker zusammengefasst, könnte man also sagen: Die Kombination von Anti-Baby-Pille, Emanzipation, Finanzcrash und Pandemie hat unsere heutige Altersstruktur zu der gemacht, die sie ist.
Der Big Shift hat begonnen – KI erobert den Arbeitsmarkt
Die wahrscheinlich spannendste Herausforderung, die auf uns alle zukommt, ist der rasant wachsende Einsatz von künstlicher Intelligenz in allen Lebensbereichen. Auch hier wandelt sich der Arbeitsmarkt in schwindelerregendem Tempo. Neue Berufe entstehen, alte verschwinden, kein Stein bleibt auf dem anderen. Wie gleichförmig die Wirtschaftsnationen dieser Welt die umwälzenden Veränderungen erleben, beleuchtet der aufschlussreiche Report "The Big Shift: Navigating the Future of Work in the UK". Auch er zielt darauf ab, Komplexität und Wechselwirkungen dieser Kräfte, die unser System gefangen halten, zu entwirren. Ist es nun beruhigend oder besorgniserregend, dass die Probleme überall die gleichen sind?
Erfolgreich im Wandel – Ihre Chance in der Arbeitswelt von morgen
Wir hätten es in der Evolution nicht bis an diesen Punkt geschafft, wären wir nicht fähig uns anzupassen. Die Kreativität des Menschen ist schier unerschöpflich, wenn seine Neugier erst einmal geweckt ist oder die Lage ausweglos erscheint. Gleichzeitig sind neue Herausforderungen eine erstklassige Chance sich weiterzuentwickeln, neue Fähigkeiten zu erlernen und die synaptische, wie neuronale Plastizität zu steigern. Kurz gesagt haben wir nun eine wunderbare Gelegenheit, unsere kognitiven Fähigkeiten zu erweitern, was uns nicht nur berufliche Vorteile bringt, sondern uns insgesamt klüger macht und sogar den Alterungsprozess des Gehirns verlangsamt. Klingt doch gut, oder?
Wie sagte der amerikanische Zukunftsforscher Alvin Toffler so treffend:
"Die Analphabeten des 21. Jahrhunderts werden nicht diejenigen sein, die nicht lesen und schreiben können, sondern diejenigen, die nicht lernen, verlernen und umlernen können."
ÖUK – Österreichische Unterstüzungskasse als Retterin in der Not
Soziale Sicherheit zu leben, ist ein gutes Gefühl. Vorgesorgt zu haben, wenn alle Stricke reißen, ebenso. Mit nur 25,- Euro im Monat sorgen Sie vor und genießen finanzielle Unterstützung, egal ob Kündigung oder Gesundheitsfragen anstehen. Unsere modernen Versorgungspläne JoblessCare und Health’n’App werden aktiv, wenn Sie in Schwierigkeiten sind. Werden Sie jetzt Mitglied der Österreichischen Unterstützungskasse ÖUK!
Quellen:
OECD (07/2021): A new approach to skills mismatch https://www.oecd.org/sti/a-new-approach-to-skills-mismatch-e9563c2a-en.htm
Forbes (09/2021): The Essential of Outsourcing https://www.forbes.com/sites/forbesbusinesscouncil/2021/09/14/the-essentials-of-outsourcing/
WIFO (10/2023): Aktivierbare Arbeitsmarktpotenziale und "Stille Reserven" in Österreich https://www.wifo.ac.at/news/aktivierbare-arbeitsmarktpotenziale-und-stille-reserven-in-oesterreich/
Europäische Kommission (12/2023): Kommission eröffnet Aufforderungen zur Investition von über 176 Mio. EUR in digitale Kapazitäten und Technologien. https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/news/commission-opens-calls-invest-over-eu176-million-digital-capacities-and-tech
Bundesministerium für Arbeit und Wirtschaft (04/2023): Fachkräftebarometer https://www.bmaw.gv.at/Themen/Arbeitsmarkt/Arbeitsmarktdaten/Fachkraeftebarometer.html
Unternehmensservice Portal des Bundeskanzleramtes. (04/2024): Unterbesetzt: Mangelberufe im Jahr 2024 https://www.usp.gv.at/news/unterbesetzt-mangelberufe-im-jahr-2024.html
Industrie Magazin (12/2023): Spitzt sich der Fachkräftemangel in Österreich weiterhin zu? https://industriemagazin.at/news/spitzt-sich-der-fachkraeftemangel-in-oesterreich-weiter-zu/
Europäische Kommission (03/2024): Aktionsplan zur Behebung des Arbeits- und Fachkräftemangels https://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=89&newsId=10790&furtherNews=yes
Eurofound (n.D.): NEETs https://ec.europa.eu/social/main.jsp?langId=de&catId=89&newsId=10790&furtherNews=yes
NABIBB (05/2024): Zentren der beruflichen Exzellenz https://www.na-bibb.de/erasmus-berufsbildung/zentrale-aktionen/zentren-der-beruflichen-exzellenz
Bundeszentrale für politische Bildung (02/2021) https://www.bpb.de/themen/arbeit/arbeitsmarktpolitik/326635/berufliche-bildung-im-internationalen-vergleich/#node-content-title-2
Deputy (2024): Big Shift Report 2024 https://web-assets.deputy.com/f/64010/x/71be77375e/2024-the-big-shift-report-uk.pdf